Ob wir in diesem Jahr Weihnachten so feiern dürfen wie gewohnt, ist nicht gewiss. Sicher ist dagegen, dass in vielen Haushalten auch bei einem kleineren Fest der Stollen als weihnachtliches Kultgebäck eine große Rolle spielen wird. Ob selbst gebacken oder vom Innungsbäcker gekauft. Brot- und Stollenprüfer Michael Isensee erzählt im Interview, was die Qualität eines guten Stollens ausmacht.
Die Adventszeit naht, Weihnachten ist nicht mehr fern und die Hochzeit der Stollen beginnt. Im Gespräch verrät Experte Michael Isensee vom Deutschen Brotinstitut e.V. in Weinheim, was die Güte eines perfekten Stollens ausmacht.
Welche Faustregel sollte beim Stollenbacken immer eingehalten werden?
„Für mich bedeutet Stollen Handarbeit, er verkörpert Werte. Bei seiner Herstellung ist höchste Achtsamkeit gefordert. Einen guten Stollen zu backen braucht deshalb vor allem eines: Zeit. Einen bis zwei Tage vor dem eigentlichen Backen wird mit der Rohstoffveredelung begonnen. Dann werden die Sultaninen eingeweicht – beispielsweise in Rum, Weißwein oder Kirschwasser, aber auch Apfelsaft oder Apfelschnaps werden gerne genommen. Bei einem Mandelstollen müssen die Mandeln im Vorfeld angeröstet werden bis sie eine schöne goldgelbe Farbe erreicht haben. Und die Butter sollte nur verarbeitet werden, wenn sie auf Zimmertemperatur ist. Ganz wichtig ist auch, der Hefe die nötige Zeit zu gönnen, sie muss im Hefevorteig erst einmal in Gang kommen.“
Wie müssen die Zutaten beschaffen sein, um am Ende einen Qualitätsstollen in den Händen zu halten?
„Da gibt es vieles, auf das man im Vorfeld achten sollte. Bei den Sultaninen beispielweise kommt es stark auf die Farbe und Konsistenz an. Sie sollten hell und fleischig sein – so wie die australischen Sultaninen, die sich schon vor Jahrzehnten auf dem Markt etabliert haben. Das Zitronat wiederum ist am besten, wenn es ein grünliches Aussehen hat. Genau wie das Orangeat sollten die kleinen Würfelchen nicht größer als 3 mm sein. Alle zusammen sorgen im besten Fall für ein sehr schönes Farbenspiel in dem schweren Hefeteig. Natürlich sollten auch die Butter, das Mehl und die Hefe von guter Qualität sein. Aus minderwertigen Rohstoffen wird am Ende kein Gold gebacken.“
Wie lange muss ein Stollen mindestens lagern, bis er genossen werden kann? Und wie lange hält er sich, bis er verdirbt?
„Früher war der Stollen ein Lagerprodukt. Gut versiegelt, d.h. rundherum gebuttert und gezuckert und im Keller an einem dunklen, trockenen Ort gelagert, kann ein Butterstollen bis zu einem Jahr überdauern. Ich habe schon Menschen kennengelernt, die den Stollen Weihnachten gekauft haben, um ihn Ostern zu genießen. Die Konsistenz verändert sich natürlich – sie wird mit der Zeit immer fester, was der Güte des Produkts bei guten Rohstoffen jedoch keineswegs schadet. Eine ganz andere Geschichte ist der Mohnstollen schlesischen Ursprungs, der vor allem in Görlitz und Umgebung beheimatet ist. Mit einem hohen Pudding- oder Grießanteil ist er sehr viel schneller verderblich und muss sehr viel zügiger verzehrt werden.“
Was fällt Ihnen zu den Stichworten „Geheimnis“ und „Trend“ im Zusammenhang mit Stollen ein?
„Tatsächlich kommt es bei der Herstellung von Stollen sehr auf die Qualität der verarbeiteten Rohstoffe an, wie bereits erwähnt. Ein normaler Butterstollen – mit einem Fettanteil von 40% und einem Fruchtanteil von 70% pro Kilogramm Mehl – benötigt keine Zusatzgewürze. Wer aber zusätzliches Aroma möchte, kann ein bisschen Tonkabohne dazugeben. Sie gibt einen sehr dezenten, unterschwelligen Geschmack, ein bisschen blumig und vanillig. Und auch Gewürze wie Muskatblüte bzw. Macis, Kardamom, Vanilleschote, Zimt, Piment und Nelke werden gern eingesetzt, hier ist aber weniger immer mehr. Was die Trends anbelangt, so stelle ich immer wieder die enorme Vielfalt unseres Landes fest. Jede Region hat ihre eigenen Raffinessen und Besonderheiten – was ich als besonders schön empfinde und auf meinen vielzähligen Reisen auch sehr genieße. Der klassische Butterstollen ist jedenfalls in ganz Deutschland beheimatet.“
Ein Produkt mit Tradition
Die Tradition des Stollens reicht weit zurück, erstmals schriftlich erwähnt wurde er im 14. Jahrhundert. In seiner ursprünglichen Form als Gebildebrot oder auch Bildergebäck stellte er einen tragenden Pfosten dar, auch „Stollen“ genannt. Dieser wiederum symbolisierte das Jesuskind als wichtige Säule des christlichen Glaubens. Und so begleitet der Stollen seit Jahrhunderten die Weihnachtszeit und erfreut immer wieder alle großen und kleinen Feinschmecker.
(baeckerhandwerk.de / ots)